Vereinbarkeit Beruf und Familie

Frühlingserwachen

Die bessere Partizipation von Frauen im Erwerbsleben ist ein volkswirtschaftliches Gebot, damit sich die Schweiz im internationalen Wirtschaftsranking behaupten kann. Um dies sicherzustellen, ruft Carolina Müller-Möhl zur Unterstützung der Volksinitiative zur Individualbesteuerung auf.

Endlich! Nach über zehn Jahren Engagement der Müller-Möhl Foundation im Bereich «bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Schweiz» erleben wir hierzulande einen wahren Gender-Shift: Die Wiederauflage des Frauenstreiks hat Spuren hinterlassen. Wir haben einen Frauenschub im Nationalrat erlebt und genderspezifische politische Vorhaben werden nun ernsthaft und lösungsorientiert diskutiert. All dies sowie das ausgedehnte mediale Echo zum 50. Jubiläum des Frauenstimmrechts stimmen mich fröhlich. Zu Recht! Denn mehr Frauen im Arbeitsmarkt, mit höheren Pensen und deshalb mehr Frauen in Entscheidungspositionen, sind nicht nur die richtigen Antworten auf unser Gleichstellungsgesetz. Eine bessere Partizipation von Frauen im Erwerbsleben ist auch ein volkswirtschaftliches Gebot, wenn die Schweiz in internationalen Wirtschaftsrankings vorne mitspielen will. Um das und mehr sicherzustellen, müssen wir allem voran die Einführung der Individualbesteuerung unterstützen. Mit ihr würden wir rund 60 000 Frauen in den Arbeitsmarkt zurückgewinnen. Mit der Individualbesteuerung würden wir mehr Frauen im Arbeitsmarkt halten können, und mit ihr würden mehr Frauen ein finanziell eigenständiges Leben führen können.

Die eingeforderten Rechte der Gleichstellung der Ehe werden zusehends zur Pflicht für die Frauen. Auch wenn oft gezwungenermassen, wie beispielsweise das neue Verdikt in Sachen Scheidung. Im März 2021 publizierte das Bundesgericht neue Spielregeln. Sprich: Grundsätzlich müssen geschiedene, nicht berufstätige Frauen, auch diejenigen über 45 Jahre, für ihren eigenen Unterhalt arbeiten geben. Aktuell werden rund 40 Prozent der Ehen geschieden. Die neuste Studie der Swiss Life lässt aufhorchen: Geschiedene Rentnerinnen sind am häufigsten von grossen Vorsorgelücken betroffen. Altersarmut ist weiblich, denn rund zwei Drittel der Empfangenden von Ergänzungsleistungen sind Frauen. Was sollen wir der jungen Frau von heute raten? Ein gleichgestelltes Leben ist kein Spaziergang. Aber nur wer ein finanziell eigenständiges Leben anstrebt ist wirklich eigenständig.

Leider sind die Rahmenbedingungen für ein Miteinander von Beruf und Familie in der Schweiz noch nicht optimal. Für viele verheiratete Mütter lohnt sich die Erwerbstätigkeit schlichtweg nicht. Steuern und Fremdbetreuungskosten fressen das Gehalt weg. Dagegen hilft nur eins: Trotzdem im Arbeitsmarkt bleiben, Durchhaltevermögen haben, mutig sein, solidarisch auftreten und abstimmer gehen. Denn wir kennen nicht nur viele Vorbilder und Mutmacherinnen, sondern wir sind alle Teil des Gender-Shifts. Mitwirkung und Veränderung des Systems ist übrigens immer möglich: Bei einer Diskussion Farbe bekennen, wieder in den Beruf einsteigen, sich die Hausarbeit fair aufteilen, Frauen und Kolleginnen unterstützen und last but not least: Die Initiative zur Einführung der Individualbesteuerung unterschreiben.


Die Kolumne ist am 19.05.2021 in der

Women in Business

erschienen.