Standortförderung

Interdisziplinäre Teams sind gefragt

Carolina Müller-Möhl präsidiert bereits seit elf Jahren die Jury des Swiss Economic Award. In dieser Zeit haben über 2200 Unternehmen am bedeutendsten Jungunternehmerpreis der Schweiz teilgenommen. Im Interview berichtet sie von ihren wichtigsten Erkenntnissen.



Frau Müller-Möhl, Sie präsidieren die Jury des Swiss Economic Award bereits über ein Jahrzehnt. Warum engagieren Sie sich so stark für Jungunternehmertum?



Mein Einsatz in der Jury des Swiss Economic Award ist eine absolute Herzensangelegenheit. Das Unternehmertum ist ein zentraler Pfeiler des Erfolgsmodells Schweiz. Unsere Volkswirtschaft kann langfristig nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir in unseren unternehmerischen Nachwuchs investieren. Dazu leiste ich sehr gerne einen aktiven Beitrag.



Welches Unternehmen hat Sie während Ihrer langjährigen Jury-Tätigkeit am meisten fasziniert?



Ich möchte an dieser Stelle kein einzelnes Unternehmen hervorheben – das würde zahlreichen Teilnehmenden und Finalisten nicht gerecht werden. Was mich geprägt hat und was mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird, ist die enorme Kreativität, die Leidenschaft und die Ideenvielfalt der Jungunternehmer. Dafür bewundere ich sie.



Wie haben sich die Kandidaten für den SEF-Award im Laufe der Zeit verändert? Sind Trends erkennbar?



Erfreulicherweise hat die Qualität der Jungunternehmen in den letzten Jahren stets zugenommen. Die Auftritte und Präsentationen der Kandidaten werden immer professioneller. Zudem ist im Zuge der Globalisierung eine stärkere internationale Ausrichtung und Denkweise erkennbar. Viele Finalisten machen sich heute Gedanken über neue Märkte und Absatzkanäle im Ausland. Schliesslich hat die zunehmende Digitalisierung auch bei den Jungunternehmern Spuren hinterlassen. Die Nutzung von modernen Technologien und zeitgemässen Kommunikationskanälen hat massiv an Bedeutung zugenommen. Aber auch bezüglich Personal und Teamzusammensetzung sind Unterschiede erkennbar.



Welche?



In der heutigen digitalen und globalen Welt haben Einzelkämpfer kaum Chancen. In diesem vernetzten Umfeld sind interdisziplinäre Teams gefragt, insbesondere durch die Verknüpfung der Fachgebiete mit der ICT. Es erstaunt daher nicht, dass es heute viel mehr Gründerteams gibt als früher.



Sie haben in den letzten Jahren viele gute Firmen kennengelernt. Welches sind die wichtigsten Faktoren für erfolgreiches Unternehmertum?



Es wäre natürlich schön, wenn es ein allgemeingültiges Erfolgsrezept geben würde. Leider ist das nicht so einfach. Die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren variieren zudem von Branche zu Branche. Trotzdem gibt es ein paar wesentliche Punkte, die es zu beachten gilt. Ohne Leidenschaft und Risikobereitschaft, also dem richtigen unternehmerischen «Mindset», geht gar nichts. Diese Eigenschaften müssen mit unternehmerischen Fähigkeiten und einem technologischen Verständnis gepaart werden. In der digitalisierten Welt sind jene Firmen erfolgreich, die moderne Technologien geschickt mit neuen Geschäftsmodellen verknüpfen können. Und auch hier möchte ich nochmals auf die Bedeutung von interdisziplinären Teams hinweisen: Oftmals arbeiten Jungunternehmen vor allem im Kreise ihrer Familie und mit Freunden, also in einem vertrauten Umfeld. Das ist eine verpasste Chance. Es ist heutzutage enorm wichtig, dass interdisziplinäre, breit diversifizierte Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte eingesetzt werden. Kompetente Sparringpartner mit Netzwerk sind zentral und helfen, Fehler zu vermeiden und schlussendlich Zeit und Geld zu sparen.



Zum Schluss noch eine Frage zum SEF.2016. Das diesjährige Motto der Konferenz lautet «Agilität». Was bedeutet Agilität für Sie persönlich?



Agilität würde ich mit Anpassungsfähigkeit übersetzen. Es ist die Kunst, vorausschauend und flexibel auf das dynamische Umfeld zu reagieren. Die Agilität ist für jedes Unternehmen zentral – denn Stillstand und Trägheit sind die grössten Feinde von erfolgreichem Unternehmertum.

Erschienen in der NZZ vom 28. April 2016