Vereinbarkeit Beruf und Familie

Gleichberechtigung in Firmen ist messbar


Bei der Gleichstellung ist der Lohn bloss eines von vielen Kriterien.

Von Carolina Müller-Möhl

Gleicher Lohn für Mann und Frau: Seit 30 Jahren ist dieser Grundsatz in der Bundesverfassung festgeschrieben. Eine Selbstverständlichkeit, müsste man meinen. Ist es aber nicht. Eine OECD-Studie stellte eben erst – und zum wiederholten Mal – fest, dass in der Schweiz eine Frau für gleichwertige Arbeit heute noch 7 Prozent weniger verdient als ein Mann. Immerhin: Alle, die sich dafür einsetzen, dass Frauen und Männer in der Arbeitswelt tatsächlich gleichbehandelt werden, dürfen nun auf prominente Unterstützung hoffen. Der Bundesrat setzt Druck auf, in dieser Frage endlich vorwärtszumachen (TA vom Donnerstag).

Wenn Mann und Frau für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn erhalten, ist dies offensichtlich ungerecht. Aber die essenzielle Thematik, die sich dahinter verbirgt, ist vielschichtiger. Wir schaffen es in der Schweiz nicht, dass bestens ausgebildete Frauen auch angemessen auf den obersten Etagen in Politik und Wirtschaft ankommen. Wir sind unfähig, ein System anzubieten, das Frauen nicht vor die Wahl zwischen Beruf und Familie stellt.


Bereits fehlen Arbeitskräfte

Künftig sind wir noch dringender auf das Potenzial der Frauen angewiesen, weil wir mehr und mehr die Grenzen für qualifizierte ausländische Fachkräfte schliessen. Gemäss einer Studie der Boston Consulting Group fehlen heute schon 260 000 Arbeitskräfte, um unseren Bedarf zu decken. Bis in sechs Jahren wird diese Lücke auf 430 000 Beschäftigte anwachsen.

Die Abschottungstendenz in der Schweiz verschärft sich durch die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, die Angst vor dem Fremden, andere diffuse Ängste. Gerade diejenigen, die von solchen Bedenken geleitet sind, sollten sich ganz besonders davor fürchten, dass wir unsere Arbeitsplätze nicht mehr mit qualifiziertem Personal besetzen können. Genau sie sollten sich also für die Förderung unserer Frauen starkmachen.

Der Bundesrat setzt ein richtiges Zeichen, wenn er die Lohndiskriminierung von Frauen zuoberst auf die politische Agenda setzt. Zwei Dinge müssen dabei aber zusätzlich beachtet werden:

  • Der Staat darf nicht in die Lohnautonomie der Unternehmen eingreifen. Diese werden in Zukunft genügend gefordert sein, Frauen und Männer gleichzubehandeln. Denn eine nächste Generation wird sich jenen Arbeitgeber suchen, der die besten Arbeitsbedingungen bietet. Unterschiedliche Arbeitsmodelle, gleicher Lohn, ja, aber auch Kinderkrippen werden den Kampf um Talente entscheiden.
  • Der Lohn ist lediglich ein Teilaspekt, auf den Firmen ihr Augenmerk richten müssen. Genauso wichtig sind die Rekrutierung, flexible Arbeitsmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Unternehmenskultur.


Kein bürokratisches Monster

Das 2009 von zwei Frauen in der Schweiz gegründete Unternehmen Edge hat eine Methode entwickelt, mit der sich Gleichberechtigung auf all diesen Ebenen messen und sogar zertifizieren lässt. Unternehmen wie Ikea, L’Oréal oder Novartis haben dieses Messverfahren bereits eingesetzt. Der Ansatz ist einfach: Nur was messbar ist, wird umgesetzt.

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Edge schon als möglicher Partner für die Unternehmen genannt wurde, die vielleicht einmal Rechenschaft über die Chancengleichheit für Mann und Frau ablegen müssen. Natürlich wären auch die Revisionsstellen oder internen Audits bestens geeignet, ihren Auftrag um diese Dimension zu erweitern.

Was wir hingegen nicht brauchen, ist ein bürokratisches Monster, das die Unternehmen in der Schweiz noch zusätzlich an der freien Gestaltung ihrer Tätigkeit hindert. Darum ist auch der Anspruch der Gewerkschaften und anderer Interessenvertreter, sich als «Kontrollinstanz» zusätzlich Einfluss zu verschaffen, mehr Klientelismus als Lösungsansatz.

Im Übrigen ist die richtige Mischung eines Teams nicht ein Modetrend. Sie ist im ureigensten Interesse der Unternehmen. Eine Studie der Credit Suisse zeigte erst kürzlich wieder auf, dass sich Gleichberechtigung lohnt: Bezüglich Umsatz und Profit stehen jene Wettbewerber am besten da, in denen Frauen im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung angemessen vertreten sind.