Vereinbarkeit Beruf und Familie

Gender Diversity als Erfolgsfaktor – auch im Verwaltungsrat


Frauen sind gut fürs Geschäft. Wie wissenschaftliche Studien zeigen, tragen gemischte Führungsteams nicht nur zum Erfolg der Firma bei, sondern fördern auch die Qualität der Unternehmensführung. Frauen zu fördern, hiesse daher auch unseren wirtschaftlichen Wohlstand längerfristig zu sichern. Dennoch mangelt es uns scheinbar an Bereitschaft, das weibliche Potenzial gewinnbringend zu nutzen. Selbst hochqualifizierte Karrierefrauen haben noch immer mit strukturellen, gesellschaftlichen und politischen Hindernissen zu kämpfen. Das muss nicht sein.

«Vergessen Sie China, Indien und das Internet: Das wirtschaftliche Wachstum wird von Frauen getragen.» Diese Zeilen waren vor nicht allzu langer Zeit in einem Artikel der Zeitschrift «The Economist» zu lesen: Die Erhöhung der weiblichen Erwerbsquote in den Industrieländern habe mehr zum Wachstum des globalen Bruttosozialprodukts beigetragen als neue Technologien oder Wirtschaftskolosse wie China und Indien. Frauen seien somit die am schlechtesten genutzte Ressource auf dieser Welt. Das «Wall Street Journal» meint: «Frauen sind der Schlüssel für die wirtschaftliche Zukunft Europas». Und der «Spiegel» schreibt kurz und sec: «Die Damen sind Gold wert.»


Gut fürs Geschäft

Nun kann man solche Statements entweder als völlig überspitzte und verzerrte Aussagen aufmerksamkeitsheischender Journalisten abtun. Oder man wirft einen Blick auf die neueste wissenschaftliche Literatur und erkennt, dass Frauen in Unternehmen tatsächlich gut sind fürs Geschäft. Die OECD rechnet vor, dass eine Angleichung der weiblichen an die männliche Erwerbsquote das Bruttosozialprodukt der Schweiz in den nächsten 50 Jahren um bis zu 20 Prozent erhöhen dürfte. Noch konkreter sind jene Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Anteil weiblicher Verwaltungsrätinnen und der Performance eines Unternehmens nachweisen. So fand das US-Forschungsinstitut Catalyst heraus, dass jene Unternehmen mit den meisten Frauen in Verwaltungsgremien einen um bis zu 34 Prozent höheren Total Return to Shareholders (TRS) und einen um 35 Prozent höheren Return on Equity (ROE) aufwiesen als die Firmen mit dem schlechtesten Geschlechterverhältnis. Ähnliche Zusammenhänge wurden auch in einer dänischen Studie mit 2500 Unternehmen nachgewiesen. Und eine kürzlich erschienene Untersuchung von McKinsey & Company weist ebenfalls in dieselbe Richtung. Gender Diversity wirke sich nicht zuletzt auch positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aus. Es scheint, als liege ein immenses Potential für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg quasi auf der Strasse – und doch wird dieses bis heute beharrlich ignoriert.

Zwar ist der Anteil von Frauen in wirtschaftlichen Entscheidungspositionen in den letzten Jahren gestiegen: Seit 1991 hat sich der Anteil berufstätiger Frauen in Schweizer Unternehmensleitungen fast verdreifacht, von 3,4 auf 9,7 Prozent im Jahr 2006 (jener der Männer stieg von 10,9 auf 17,3 %). Vergleicht man dann aber den Frauenanteil in den Verwaltungsräten der 12 SMI-Unternehmen mit anderen börsennotierten Firmen in Europa, dann erreichen diese mit einem Frauenanteil von 9 Prozent nicht einmal den EU-Durchschnitt (11 %). Skandinavische Länder wie Norwegen und Schweden, aber auch Bulgarien, Slowenien oder Lettland sind uns da um Längen voraus.


Das Potenzial der Frauen




Es gibt viele Gründe für die Missverhältnisse der Geschlechter – strukturelle, gesellschaftliche, politische, aber auch individuelle. Klar ist, dass solche Ungleichheiten für die Schweizer Wirtschaft zum Hemmschuh werden können, sollten wir weiterhin weibliches Unternehmertum und Frauen in ihrer beruflichen Karriere nicht besser fördern, denn:

– Weibliche Führungsqualitäten sind nachweislich eine grosse Bereicherung für Good Governance in Verwaltungsräten und Management. Eine offenere Kommunikation, ein verbesserter Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens, eine umfassendere Beachtung aller Stakeholder oder kreative Lösungsansätze sind Leistungen, die von gemischten Führungsteams besser erbracht werden.

– All diese positiven Effekte gemischter Führungsteams kommen aber erst ab einer kritischen Anzahl von drei weiblichen Teammitgliedern so richtig zum Tragen. Erst dann nämlich werden Kaderfrauen nicht mehr an ihren Attributen, sondern an Argumenten gemessen.

– Frauen sind in Sachen guter Bildung auf dem Vormarsch. Schon jetzt beginnt das Geschlechterverhältnis an den Universitäten und Hochschulen zu ihren Gunsten zu kippen: Seit 1980 hat sich die Zahl der Frauen mit Tertiärbildung mehr als vervierfacht (von 3 % auf 13 %), während bei den Männern nur eine Verdoppelung stattgefunden hat (von 9 % auf 15 %). Es dürfte in Zukunft also von weiblichen Talenten geradezu wimmeln.

– Auf diese hochqualifizierten Frauen sind die Führungsgremien je länger desto mehr angewiesen, denn die steigen de Überalterung unserer Bevölkerung kann langfristig nur mit einer besseren Nutzung des weiblichen Humankapitals kompensiert werden. Laut McKinsey & Company würden uns in Europa andernfalls in 30 Jahren nicht 3 Mio. sondern 24 Mio. Arbeitskräfte fehlen!

– Und last but not least sind Frauen heute für drei Viertel aller Kaufentscheidungen verantwortlich. Ein besseres Verständnis des Absatzmarkts dürfte da wohl im ureigenen Interesse eines jeden Unternehmens sein.

Das britische Smith Institute schreibt, dass in England gut 70 % der Frauen mit wissenschaftlichen, technologischen und Ingenieursqualifikationen in Sektoren arbeiten, wo ihre spezifischen Fähigkeiten gar nicht verlangt werden. Die Untervertretung weiblicher Topkader ist somit nicht die Folge eines Mangels an geeignetem Personal, wie so oft beklagt wird. Die Ursache liegt vielmehr darin, dass bei der Rekrutierung weiblicher Manager und Verwaltungsräte die Bereitschaft, sich auch «outside the box» umzusehen, kaum vor handen ist. Dabei existieren seit geraumer Zeit Beratungsfirmen und Personalvermittler, die speziell auf die Vermittlung weiblicher Arbeitskräfte spezialisiert sind.


Leadership und Grundsätze

Nebst der fehlenden Bereitschaft zur Förderung von Frauenkarrieren in den Unternehmen ist die berufstätige Frau beziehungsweise die auswärts arbeitende Mutter mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Nicht nur das Attribut «Rabenmutter» angehängt zu bekommen, sondern beispielsweise auch Erfahrungen im individuellen Sozialisierungsprozess einer jungen Frau sind Beweggründe, eine berufliche Karriere frühzeitig abzubrechen oder gar nicht erst anzustreben.

Solange unsere Gesellschaft, auch mit medialer Unterstützung, solche Vorurteile pflegt, stehen Reformen des Arbeitsmarkts auf wackligen Füssen. Erst in Kombination mit einem Bewusstseinswandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind nach haltige Verbesserungen erreichbar. Dabei muss klar sein: Leadership ist auch Frauen sache. Nicht nur, weil Frauen es auch können – sondern weil Gleichstellung und Fairness es verlangen und weil der wirtschaftliche Wohlstand unseres Landes davon abhängig sein wird.

Natürlich gibt es in Wirtschaft und Politik immer noch schwarze Schafe bezüglich Frauenförderung. Es sind diejenigen Unternehmer und Politiker, die Frauen lieber zu Hause am Herd als am Bürotisch sähen. Umgekehrt finden sich aber auch Vorbilder, die dem wachsenden Bedarf an weiblichen Führungskräften mit neuen Ansätzen begegnen. Als vorbildhaft sind folgende Grundsätze anzusehen:

– Die Förderung weiblicher Führungskräfte muss Chefsache sein und von der Geschäftsleitung respektive dem Verwaltungsrat getragen werden. Unterstützung von oben ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.

– Eine Sensibilisierung für Karrierefrauen via Schulung ihrer männlichen Kollegen ist nötig. Frauen handeln und kommunizieren in gewissen Situationen anders als Männer. Gerade dies kann die Unternehmenskultur im Sinne von Good Governance bereichern – sofern man die Signale richtig versteht.

– Talentpools für weibliche Arbeitskräfte mit Potenzial haben Signalwirkung nach innen und aussen. Sie steigern die Attraktivität des Unternehmens für zukünftige Arbeitnehmerinnen («Employer of Choice») und bringen damit strategische Vorteile in Sachen Innovation und Marktkenntnisse.

– Ein grösserer Horizont bei der Nachfolgeregelung in Unternehmensleitungen führt automatisch auch zu einer grösseren Auswahl fähiger Kandidatinnen («outside the box»). Beratung von externer Seite ist hier meist eine sinnvolle Sache.

– Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa durch Kinderkrippen und Teilzeitarbeitsmodelle, erleichtert den Frauen einen Wiedereinstieg. Dies gilt genauso für die Führungsetage! Übergangsprogramme während einer Babypause erhöhen zudem die Arbeitsproduktivität und führen langfristig zu niedrigeren Personalkosten. Mangelnde Flexibilität bezüglich Arbeitszeit und Karriere sowie die «Allzeit bereit»-Mentalität in vielen Betrieben gehören mit zu den gravierendsten Hindernissen für Frauenkarrieren.


Frauen fördern – Frauen fordern

Natürlich sind die Unternehmen nicht alleine für die Hemmnisse von Frauenkarrieren verantwortlich. Es fehlt hierzulande etwa an Ganztagesschulen und einem effizienten Fördersystem für Kinderkrippen. Letzteres sieht bis anhin einkommensabhängige Betreuungskosten vor, was vor allem Familien mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten soll. Bereits ab einem jährlichen Bruttoeinkommen von 60 000 CHF lohnt es sich für die Mutter finanziell aber gar nicht, mehr als 2 Tage zu arbeiten. Mehr arbeiten hiesse dann paradoxerweise, weniger zu verdienen.

Wenn ein Unternehmen und dessen Führungsgremium aus Überzeugung und nicht erst, weil es muss, dazu bereit ist, für karrierewillige Frauen entsprechende Unterstützung zu leisten, lassen sich viele Hindernisse überwinden. Diese Bereitschaft scheint laut einer Studie von Heidrick & Struggles vor allem bei KMU (mit weniger als 250 Mitarbeitenden), bei ganz grossen Unternehmen (mit mehr als 10 000 Mitarbeitenden) und in der Konsum- und Life-Science-Industrie vorhanden zu sein.

Wenn Frauen gefördert werden, bedeutet das nicht, dass nicht auch etwas von ihnen gefordert werden soll – nämlich genau gleich viel wie von Männern! Nur allzu oft wird das Scheitern einer Top-Managerin aber medial aufgebauscht, während sich umgekehrt männliche CEOs Misserfolge erlauben können, ohne gleich ihren Marktwert einzubüssen. Frauen sollten in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen dieses Landes nicht mehr den zwiespältigen Status von Exotinnen geniessen, sondern als wertvolle Bereicherung für Perfomance und Good Governance anerkannt werden.

© 2008 «Schweizer Arbeitgeber»