Vereinbarkeit Beruf und Familie

Es braucht pinke Piraten



Meine Meinung

: Eine Kolumne von Carolina Müller-Möhl


Ich erinnere mich nicht, wann ich mich das letzte Mal mit Kinderfernsehen beschäftigt habe – mein Sohn ist seit zwölf Monaten Student –, aber neulich war es mal wieder so weit: In einer sehr aktuellen Studie über Frauen in Film und Fernsehen wurde festgestellt, dass auf jede weibliche Figur vier männliche kommen. Bei imaginären Figuren sogar 1 zu 9! Bereits im Kinderfernsehen erklären also Männer die Welt.

Na wunderbar. Ich sage es in meinem Umfeld ja immer wieder: Von Gleichstellung sind wir weit entfernt – und die Weichenstellung beginnt früh! Ein Blick ins Spielzeuggeschäft zeigt: Selten war die Rollenverteilung so deutlich illustriert wie heute; eine blaue Ecke mit Burgen, Piraten und Rennautos und eine rosa Ecke mit Prinzessinnen, Puppen und Glitzer. Ein ganz ähnliches Bild findet sich in der Kinderkleiderabteilung: klare Anweisungen an unseren Nachwuchs. Schon in den frühen Jahren werden uns geschlechterstereotype Rollenverteilungen beigebracht – die dann im Berufsleben als Unconscious Bias Probleme bereiten.

Und nicht nur im Kinderfernsehen, Marketing und Spielwarengeschäft werden die Geschlechter unterschiedlich behandelt – auch Eltern tun es. Lise Eliot, Neurobiologin an der Rosalind Franklin University of Medicine and Science, arbeitet in ihrem Buch «Pink Brain, Blue Brain» eindrücklich heraus, wie Eltern Genderunterschiede produzieren und festigen. Mit Mädchen wird nachweislich häufiger geredet, während mit Buben mehr herumgetollt wird. Fähigkeiten werden nicht nur unterschiedlich gefördert, es wird zudem auch ein Rollenverständnis vermittelt. Kinder lernen es zudem aus dem Verhalten von Erwachsenen: Eltern, Erziehungspersonen oder eben Vorbilder aus Film und (Kinder-)Fernsehen. Umso stereotyper deren Verhalten, desto stärker zementiert es das Rollenverständnis der Kinder.

Die Lösung sind sicher keine Verbote. Jungs dürfen weiterhin herumtollen, und Mädchen wird es nicht untersagt, mit Puppen zu spielen. Trotzdem plädiere ich dafür, dass man stereotypes Verhalten bewusst macht und es vor allem nicht unnötig unterstützt.

Neben mehr weiblichen Vorbildern in Film und Fernsehen erfordert das eine umfassende Bildungspolitik, die auch frühkindliche Bildung mit einschliesst und finanziell unterstützt. Zu häufig erfolgt Kinderbetreuung noch nach stereotypen Mustern. Das lässt Potenziale ungenutzt! Eine Betreuung, die frühkindliche Bildung berücksichtigt und individueller auf Kinder eingeht, rechnet sich für die Gesellschaft. Die schweizerische Kampagne Ready! fordert aus diesem Grund, Lern- und Entwicklungsprozesse inner- und ausserhalb der Familie zu unterstützen.

Meine Meinung: Gleichstellung beginnt schon in der frühen Kindheit. Investieren wir erst in Frauenförderung auf dem Arbeitsmarkt, verpassen wir eine grosse Chance.

Die gute Nachricht: Immer häufiger finden wir Filme, die Stereotype aufbrechen. Zum Beispiel «Merida», der erste Pixar-Film mit einer weiblichen Hauptrolle: Ein Mädchen zeigt uns, was Mut und Abenteuerlust bedeuten. Haben Sie schon das nächste Geburtstagsgeschenk für Ihr Kind besorgt?


Die Kolumne ist erschienen in der annabelle am 20. September 2017