Gender Diversity

Endlich mehr Verbesserungen!


Endlich mehr Verbesserungen!

Die gesellschaftliche Anerkennung und Unterstützung berufstätiger Mütter lässt bis heute zu wünschen übrig. Das hat sich gerade während der Corona-Krise wieder einmal bestätigt. Es liegt im Interesse unserer Gesellschaft, dies endlich zu ändern, fordert Carolina Müller-Möhl.

Neulich kam ich mit zwei jungen Müttern ins Gespräch. Sie waren von dem Lockdown im Frühjahr ganz unterschiedlich betroffen. Die eine Mutter hat studiert und lebt das klassische Rollenmodell einer Hausfrau. Sie konnte auch während der Notlage die Familienbetreuung gut sicherstellen. Hinzu kamen das Homeschooling der zwei Kinder und die Betreuung des Ehemannes im Homeoffice.

Die andere Mutter ist studierte Finanzexpertin und alleinerziehend. Ihr Expartner lebt in Frankreich und ihre Eltern in Deutschland. Sie motivierte und betreute ihre Kinder, 7 und 10 Jahre, beim Homeschooling. Nebenbei musste sie ihr über hundert Mann und Frau starkes Team «around the world» per Zoom und Microsoft Teams führen und bei Laune halten. Zwischendurch stand Einkaufen auf dem angespannten Tagesplan. Nicht zu vergessen das Kochen, und ab und an ging es auf die Yogamatte.

Was zeigen uns diese beiden Beispiele? Berufstätige Mütter, insbesondere die alleinerziehenden mit ihren Kindern, brauchen während und nach der Corona-Krise mehr denn je unsere Unterstützung: Mit bezahlbarer Kinderbetreuung, steuerlicher Entlastung und firmeninternen Angeboten.

Bereits vor der Krise war in der Schweiz das moderne Frauenbild einer arbeitenden Mutter ein zartes Pflänzchen. Die gesellschaftliche Anerkennung lässt oft zu wünschen übrig. Mit Ausbruch der Krise gehören die berufstätigen Mütter gewiss nicht zu den Gewinnerinnen. Die Mehrfachbelastung von Haushalt, Kindererziehung und Beruf kann erdrückend sein und zehrt langfristig an den Nerven. In Krisen umso mehr.

Trotzdem: Das traditionelle Rollenmuster bietet nur auf den ersten Blick eine bessere Lösung. Denn wie wissenschaftliche Studien zeigen, sind Hausfrauen auf lange Sicht hin gesundheitlich gefährdeter als Berufsfrauen. Zudem bleiben sie vielfach vom Ehemann oder staatlichen Leistungen langfristig finanziell abhängig. In einer der letzten Talkshows von Anne Will brachte es eine Sozialwissenschaftlerin auf den Punkt: Frauen, die dem Arbeitsmarkt zu lange fernbleiben, können das später nicht mehr kompensieren: weder karrieretechnisch noch bei der Rente.

Für die Mutterschaft in der Schweiz bezahlen viele Frauen immer noch einen zu hohen Preis: Entweder sie geraten in finanzielle Abhängigkeit oder sie drohen dem doppelten Anspruch von Mutter und Berufsfrau nicht gerecht werden zu können. Es liegt im Interesse von uns als Gesellschaft, dies zu ändern. Seit dem Gleichstellungsgesetz von 1996 hat sich viel zu wenig getan. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Mit unserem verjüngten und weiblicheren Parlament müssen in puncto Gleichstellung und bei der Unterstützung von berufstätigen Müttern endlich mehr Verbesserungen her.


Der Artikel ist am 20.08.2020 in der

Women in Business

erschienen.