Standortförderung

Unternehmertum im Licht der gesellschaftlichen Verantwortung

Unsere Gesellschaft leidet an einem Missverständnis, wenn es um die Beurteilung unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität geht. Die öffentliche und veröffentlichte Meinung nimmt beim Thema Wirtschaft und Unternehmungen vor allem die grossen Publikumsgesellschaften und deren Einfluss auf das wirtschaftliche Gesamtgeschehen wahr. Tatsächlich aber bilden Familienunternehmen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Sie beschäftigen 2,6 Millionen Menschen und erwirtschaften 60 Prozent unseres Bruttosozialprodukts. Gleichzeitig stehen viele Familienunternehmen für nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln, weil sie Werten und Familientraditionen verpflichtet sind, die sich nicht in Heller und Pfennig messen lassen. Der Philosoph Odo Marquard hat diese Haltung treffend mit dem Satz beschrieben: «Zukunft braucht Herkunft.»


Pflege von Traditionen


Am Anfang vieler Family Offices steht das erfolgreiche Unternehmertum einer Familie. Family Offices werden gegründet, um die privaten, philanthropischen, finanziellen und unternehmerischen Vermögenswerte und Verpflichtungen der Unternehmerfamilien aktiv zu managen und weiter- zuentwickeln. Diese Haltung vererbt sich über Generationen, die oft unbemerkt von der Öffentlichkeit die Tradition des verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns weiterführen.


Engagement als Pflicht


Verantwortung übernehmen für die weniger gut Gestellten ist eine noble Verpflichtung, die auf einer langen historischen Entwicklung unserer Gesellschaft basiert. Der gemeinnützige Einsatz, insbesondere der politischen und intellektuellen Elite, für andere gehörte bereits zum philosophischen Erbe der grossen Denker im Griechenland der Antike. Pointiert äusserte sich dazu auch der deutsche Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant. Er erhob in der Metaphysik der Sitten die Wohltätigkeit zur Pflicht aller Menschen: «Wohltätigkeit, das ist anderen Menschen in Nöten zu ihrer Glückseligkeit, ohne dafür etwas zu hoffen, nach seinem Vermögen beförderlich zu sein, ist jedes Menschen Pflicht.»

Gesellschaftliches Engagement entsteht aber auch aus tiefer persönlicher Überzeugung. Diese wird oft über die Erziehung von einer Generation an die nächste weitergegeben. Family Offices bieten den Familienmitgliedern in dieser Beziehung die Gelegenheit, sich gemeinsam mit gesellschaftsrelevanten Themen zu befassen und diese zu fördern. So werden nicht nur die Familienwerte über Generationen weitergegeben, es entsteht auch eine engere Bindung unter den Familienmitgliedern. Während bei klassischen Investitionen zu viele Entscheidungsträger oft hinderlich sind, ist hier der Input jedes Familienmitgliedes erwünscht.


Grosse Herausforderungen


Um einen nachhaltigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten, können Familien – teilweise sogar besser und wirkungsvoller als der Staat oder die Privatwirtschaft – ihre privilegierte Position für die Gesellschaft nutzen. Der Einsatz von Familien mit unternehmerischen Wurzeln ist besonders gefragt, wenn es darum geht, gesellschaftliche Probleme auf eine ganz andere Art anzupacken. Das erfordert Mut, Unternehmertum und Weitsicht. Beispielhaft engagiert sich etwa die Jacobs Stiftung für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung, um die es in der Schweiz gemäss UNICEF-Studien schlecht steht. Gerade einmal 0,2 Prozent unseres Bruttosozialprodukts investieren wir in diesen Bereich. Dies obwohl wir wissen, dass Investitionen in die frühkindliche Ausbildung besonders lohnenswert sind. Ausser dem gesellschaftspolitischen Argument spricht ein weiterer Aspekt für das Engagement von Familien. Auch wenn die Schweiz international gesehen relativ gut dasteht, öffnet sich auch hierzulande die soziale Schere weiter. Ungleichheiten führen aber unweigerlich zu Spannungen. Studien zeigen, dass die Instabilität und die Kriminalitätsrate eines Landes zunehmen, wenn die Einkommensunterschiede grösser werden. Der soziale Friede ist entscheidend für das Umfeld, in dem Family Offices agieren. Gesellschaftliches Engagement sollte nicht nur als eine Nebenbeschäftigung, sondern als Teil eines gelebten, verantwortungsvollen Bürgertums betrachtet werden, das darum bemüht ist, den sozialen Frieden zu bewahren.


Verantwortung leben


Family Offices berücksichtigen bei ihren Investments heute vermehrt die gesellschaftliche Verantwortung als Entscheidungskriterium. Studien belegen, dass vor allem Umwelt- und soziale Überlegungen zu den wichtigsten Beweggründen für diese Art von Investitionen von Family Offices gehören.

Wenn es um solche Investitionen geht, wird heute zwischen Socially Responsible Investing, Impact Investing und Philanthropie unterschieden. Sie heben sich von den klassischen Investitionen dadurch ab, dass bei der Selektion bewusst soziale und ökologische Faktoren berücksichtigt werden. Die Ressourcen Zeit, Kapital, Wissen werden hier gezielt eingesetzt, um positive gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.


Soziale Investments


Im Bereich des Socially Responsible Investing (SRI) werden Investments getätigt, die einen positiven Beitrag an eine gesellschaftlich nachhaltige Entwicklung leisten oder zumindest keine Schäden anrichten sollen. Im engeren Sinne gibt es zwei verschiedene Ansätze für nachhaltige Investitionen. Beim ersten Ansatz wird auf gewisse Investments bewusst verzichtet («Negative Screening»). Der zweite Ansatz beruht auf einer positiven Sichtweise («Positive Screening»), wobei gezielt «Best-in-Class» Investments oder bestimmte Themen (z. B. Wasser, erneuerbare Energien) gewählt werden. Die vermögendsten Europäer (HNWI) investierten im Jahr 2009 rund 11 Prozent ihres gesamten Vermögens, insgesamt 729 Milliarden Euro, in diese Anlagekategorie. Nachhaltige Investments liegen im Trend und wachsen kontinuierlich weiter. Auch das Interesse an Impact Investments ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies sind Investitionen, die gezielt in sozialen Bereichen oder zugunsten der Umwelt getätigt werden. Typische Beispiele sind Investments in Mikrofinanz- und Mikroversicherungs- Institutionen oder in Fair Trade- Organisationen. Impact Investing muss sowohl einen finanziellen wie auch einen sozialen Ertrag geben.


Professionelle Philanthropie


Im Gegensatz zu den oben genannten Investitionen geht es bei der dritten und letzten Kategorie, der Philanthropie, fast ausschliesslich um einen sozialen ROI. Dabei werden Gelder oft als Schenkung gesprochen. Der Bereich der Philanthropie befindet sich in einem Wandel und erlebt eine regelrechte Professionalisierung. Zahlreicher werden die Family Offices, die, teilweise mit Hilfe von Philanthropieberatern, ihre Engagements strategisch ausrichten und deren Wirkung messen. Dazu gehört auch, dass die Empfänger auf Herz und Nieren ge-prüft werden, bevor sie Unterstützungsgelder erhalten. In einer Befragung von 50 Family Offices in Europa gaben 61 % der Befragten SFOs an, dass sie philanthropisch aktiv sind. Weitere 5 % äusserten die Absicht, innerhalb der nächsten 18 Monate aktiv zu werden. Damit beschäftigen sich fast zwei Drittel aller Family Offices (SFOs und MFOs) mit philanthropischen Aktivitäten. Die Family Offices geben zwischen 1 und 15 Prozent ihres jährlichen Einkommens für philanthropische Zwecke aus. Wie gross der Markt in den verschiedenen Investitionsbereichen ist, lässt sich für die Schweiz nur schwer feststellen. Daten dazu kommen aber aus den USA aus dem Jahre 2010. Dort belief sich das Volumen der klassischen Finanzinvestitionen auf 25 200 Milliarden US-Dollar. Dies ist 600 Mal mehr als die investierten Gelder im Bereich Impact Investing und 112 Mal mehr als die philanthropischen Gelder. SRI-Investitionen kommen hingegen auf 3070 Milliarden US-Dollar.


Vermittlung von Werten


Die Strukturen, welche die Family Offices wählen, um ihr gesellschaftliches Engagement umzusetzen, variieren. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Das wohl beliebteste und am besten geeignete Gefäss ist die Stiftung. Alimentiert wird sie entweder mit Dividenden aus sich im Familienbesitz befindenden Unternehmensanteilen oder aber mit einem Stiftungsvermögen, das vollständig dem Stiftungszweck vermacht wird. Dass sich dieses Gefäss auch in Zukunft grosser Beliebtheit erfreuen wird, steht ausser Frage. Dies in Anbetracht der Tatsache, dass gemäss Hochrechnungen des Vermögenszentrums Zürich in den nächsten 20 Jahren in der Schweiz 900 Milliarden Franken an Privatvermögen vererbt werden. Dies sind jährlich also 45 Milliarden Franken. Damit diese Gelder nicht «wertelos» oder «ohne Seele» an die nächste Generation übergeben werden, versuchen viele Unternehmerfamilien die ihnen essentiellen Werte durch eine Stiftung zu institutionalisieren.


Erfolg verpflichtet


Family Offices und deren Inhaber haben damit eine Plattform, die es ihnen erlaubt, aufzuklären, wo es der Aufklärung bedarf, Themen anzupacken, um die sich der Staat oder die Privatwirtschaft nicht oder zu wenig kümmern und dafür pragmatische Lösungen zu finden. Mögen die Mittel auch nach ganz sachlichen Kriterien eingesetzt und verteilt werden, gewachsene Überzeugungen und Werte werden immer eine Triebfeder von wohlhabenden Familien sein, einen Beitrag an das Wohl einer Gemeinschaft zu leisten. Oder wie es Lord Jacob Rothschild formulierte: «Uns eint das Ziel, aus der privilegierten Position unserer Herkunft und unseres Erfolges heraus Gutes zu tun.»