Standortförderung

UBS Mitarbeitermagazin – Dem Geld einen Sinn geben


Von Carolina Müller-Möhl

Gott ist tot. Der Götze der Neuzeit ist das Geld. Diesen Gedanken formulierte der Philosoph und Soziologe Georg Simmel vor mehr als 100 Jahren. In seiner Begründung gab er der Bedeutung des Geldes eine neue Dimension. Je perfekter das Geld seine Funktion als Tauschmittel erfülle, je abstrakter und universeller es sei, umso gottähnlicher werde es, schreibt Simmel in seinem im Jahr 1900 erschienen Werk «Philosophie des Geldes». Daraus schliesst er, dass nichts so spirituell sei wie die Zahlenkolonnen auf einem Kontoauszug.

Manch profesionell geerdeter Banker wird angesichts solch philosophischer Höhenflüge wohl etwas die Bodenhaftung vermissen. Gehen wir dem Gedankenkonstrukt von Simmel trotzdem einmal auf den Grund.

Für Aristoteles war Geld prinzipiell Mittel zum Zweck. Aber auch er sah im Geld ein Symbol für das Gelingen des Lebens, nach welchem wir im Kern alle streben. Ein erfülltes Leben ist nichts anderes als das höchste Glück, das wir uns vorstellen können.

Natürlich ist die Gleichung Geld gleich Glück falsch, weil materieller Reichtum keine Garantie ist für Lebensglück. Geld kann aber eine Voraussetzung für individuelle Freiheit oder – wie es Georg Simmel formuliert – die Loslösung des Menschen aus persönlichen Abhängigkeiten oder überlieferten Traditionen sein.

Ohne frei verfügbares Kapital gäbe es keine Innovationen, könnte der Unternehmergeist nicht finanziert werden, und unsere Gesellschaft hätte die rasante Entwicklung hin zu einem breit gestreuten Wohlstand nicht machen können.

Und wie viel Geld braucht es für ein unabhängiges Leben? Warum streben viele derjenigen, die schon ein «gutes» Leben haben, nach mehr, auch wenn ihr Leben dadurch wohl nicht besser wird? Aristoteles hat dafür eine simple Erklärung: Der Wert des Geldes bemisst sich in Zahlen, und eine Zahlenreihe ist unendlich, wir geraten also in den Sog der Maximierung.

Vor einigen Jahren prangte in der Vorweihnachtszeit ein provokantes Plakat in der Stadt Zürich, auf dem nur ein Wort stand: «Zuvielisation». Das Wortkonstrukt war Ausdruck eines Unbehagens, das sich in letzter Zeit besonders vehement artikuliert und den Diskurs über den Wert, die Bedeutung und das Verständnis von Geld grundsätzlich verändert hat.

Wohlstand und die damit verbundenen Privilegien wie auch das Verstehen, was eine Gesellschaft im Innern zusammenhält, bringen Verantwortung mit sich. Dazu gehört es zum Beispiel, eine junge Generation, die – zumindest in unseren Breitengraden – so wohlhabend aufwächst wie noch keine vor ihr, den Umgang mit Geld zu lehren. Für mich steht ausser Frage, dass das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und die Funktion des Geldes in einer Gesellschaft an den Schulen genauso unterrichtet werden müssen wie Geografie, Mathematik oder Geschichte. Und dies nicht nur, weil die Jugendverschuldung stetig zunimmt. Ich finde es zudem selbstverständlich, dass jene, die ein erfülltes Leben in materieller Sicherheit führen können, ihren Beitrag an die Gesellschaft leisten – der über das Steuernzahlen hinausgeht. Wenn ich mich als Philanthropin bezeichne, verstehe ich mich nicht als «Wohltäterin», die gibt, weil sie geben kann, sondern als engagierte soziale Investorin, die nicht nur einfach einen guten Zweck finanziell unterstützt, sondern aktiv ihre Zeit, Ideen, ihr Netzwerk und Know-how zur Verfügung stellt.

Ich nutze meinen Freiraum, um Werte zu schaffen und zu leben, die nicht in Geld zu messen sind. Und ich will eine «Inkubatorin » sein und andere anstecken, dem Geld einen Sinn zu geben und mit persönlichem Engagement einen dauernden gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Die Müller-Möhl Foundation hat sich dazu vier Bereiche ausgesucht: Bildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz und die Philanthropie im Allgemeinen.

An allem Anfang steht die Bildung, vor allem die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE). Es kann in einer Wissensgesellschaft wie der unsrigen kein lohnenswerteres Investment geben als jenes in die Ausbildung der nächsten Generationen, frühestmöglich mit der bestmöglichen Qualität. Gemeinsam mit dem Forum Bildung hat die Müller-Möhl Foundation unter anderem den Schweizer Schulpreis lanciert und letztes Jahr zum ersten Mal verliehen. Das Auszeichnen von innovativen, richtungsweisenden Projekten und grossartigen Lehrpersonen soll eine Hommage sein an all jene, die sich weit weg vom Scheinwerferlicht jeden Tag einsetzen für das wichtigste Kapital, das wir besitzen.

Wie Geld ist auch Bildung eine fundamentale Voraussetzung für Freiheit und Selbstbestimmung. Kinder sollen nicht nur früh das Wissen lernen, das ihnen ein unabhängiges Leben ermöglicht, die Schulen sollen auch so organisiert werden, dass ihre Väter UND Mütter nicht auf ein erfülltes Berufsleben verzichten müssen, weil sie ausschliesslich mit der Betreuung der Kinder beschäftigt sind. Es kann und darf nicht sein, dass exzellent ausgebildete Frauen auf dem Weg zu Führungspositionen in Politik, Wirtschaft oder Kultur scheitern, weil sie Familie und Beruf nicht unter einen Hut bringen können. Hier müssen Geld und Geist eine fruchtbare Verbindung eingehen, damit endlich mehr Diversität an der Spitze eine gelebte Normalität wird, die den Standort Schweiz stärkt.

Alle dies sind Mosaiksteine, die sich zu einem stimmigen Bild vereinen, das wir gemeinsam schaffen müssen. Wir können damit jene Vision eines gelungenen Lebens für viele erfüllen, die Aristoteles damals vor ziemlich genau 2400 Jahren entworfen hat. Engagement für die Gesellschaft ist nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der persönlichen Ethik, Leidenschaft und wahrscheinlich der Erziehung. Jeder kann sich engagieren. Laut der Studie «Ideen für die Schweiz» aus dem Jahr 2013 von Avenir Suisse befindet sich die Milizarbeit in der Schweiz auf dem Rückzug. Dennoch leistet jeder Dritte freiwillige Arbeit zugunsten der Gemeinschaft. Engagieren auch Sie sich.

Es macht Freude!


Erschienen in „We“ Mitarbeiter Magazin der UBS.