Bildung

Macht nur keine Schulden

CLAUDIA GNEHM (TEXT) / ADRIAN BRETSCHER (FOTOS)

Punkt 8 Uhr am Freitagmorgen ruft ein tiefer Glockenklang die Mädchen und Jungs in den Saal. Für rund 300 Schüler der Alpinen Mittelschule Davos steht eine ganz spezielle Schulstunde auf dem Programm. Angekündigt sind die Young Global Leaders des WEF. Es ist der einzige direkte Kontakt der Schüler zum Gipfeltreffen der Konzernschefs. «Wir haben sonst ja nur das Chaos des WEF. Hier werden wir für einmal nach unserer Meinung gefragt», freut sich Kim von der zweiten Oberstufe.

Organisatorin und Young Global Leder Carolina Müller-Möhl (42), Chefin der gleichnamigen Investmentfirma, erntet von den noch leicht verschlafenen Gesichtern schnell erste Lacher. Sie dankt Uhrenunternehmer Jean-Claude Biver (62) mit einer Verbeugung dafür, dass er für die Schule so früh aufgestanden ist. Der quirlige Unternehmer weckt die Schüler mit seinem frechen Referat: «Ich wäre lieber an Ihrer Stelle. Sie gestalten die Zukunft der Welt.» 72 Prozent der anwesenden Schüler haben in einer vorgängigen Umfrage angegeben, sie könnten sich vorstellen, ein Unternehmen zu leiten. Noch mehr (86 Prozent) aber finden den Wirtschaftsunterricht zu trocken.

Spätestens als Biver erzählt, wie er Unternehmer wurde, sind alle wach: «Ich hasse Arbeit.» Wer aber seiner Leidenschaft nachgehe, der merke von Arbeit gar nichts. Seine Leidenschaft habe er mit 24 Jahren gefunden – als Uhrenhersteller.

Müller-Möhl erzählt den jungen Zuhörern, auch sie habe das Unternehmertum nicht in trockenen Wirtschaftslektionen gelernt. Für so etwas brauche es Praxis. Also hat sie vor ihrem Auftritt Unternehmer wie den Ergobag-Hersteller Sven-Oliver Pink in die Klassen geschickt. Praktiker wie Pink haben den Davoser Schülern die Grundlagen zu Budget und Preisverhandlungen an konkreten Beispielen gezeigt. Gemeinsam mit Biver macht Müller-Möhl jetzt dem Publikum Mut: «Jeder kann Unternehmer werden.»

Die Schüler fühlen sich schon an einer Wohlfühlveranstaltung, als Müller-Möhl plötzlich und abrupt das Thema wechselt. «Wisst ihr eigentlich, warum wir hier sind?», fragt sie. Und schiebt gleich ernst nach: «Wir sind hier, weil jeder Dritte von euch Schulden hat. Im Schnitt 500 Franken. Macht keine Schulden!» Die Davoser Schüler gucken sich verdutzt an.

Die Nestlé-Verwaltungsrätin selbst hat einen zwölfjährigen Sohn und stösst sich daran, wie sich Schüler heute blitzartig verschulden können – via Handy, Internet und Co. Deshalb engagiert sie sich für das Schulprojekt. «Wir Young Global Leaders können nicht nur reden, sondern müssen auch etwas bewirken.» Ihre YGL-Gruppe zu Unternehmertum und Finanzwissen trifft sich regelmässig und hat schon öfter Schulklassen das kleine Einmaleins des Unternehmertums beigebracht. Kommt das an? Ja, sagt Schulrektor Thomas Flüeler. Ehemalige Schüler hätten die YGL-Veranstaltung als eines ihrer «einprägendsten Schulerlebnisse» bezeichnet.

Um 10 Uhr ist die diesjährige Lektion zu Ende. Schülerin Desirée zieht Bilanz: «Es stimmt – auch die Grossen haben klein angefangen.»

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